Die Wilden Juffern im Merzbachtal
Die Wilden Juffern im Merzbachtal
Was raschelt am Merzbach bei Tag und Nacht,
Was flattert im Tann und im Ginsterbusch sacht,
Was hocket und locket im Weidengeflecht.
Die Wildjuffern sind es - ein uralt Geschlecht.
Sie schweben geschmeidig durch Wiesen und Au’n,
In Hohlwegen, Sandbergen kann man sie schau’n,
Sie huscheln auch über die Felder dahin,
Neckisch und spöttisch und schnell wie der Wind.
Kommt müde ein Wand’rer des Weges daher,
Angaukeln ihn Wildjuffern bald mehr und mehr,
Und suchen und finden manch neckische List
Für den, der nicht wachsam, nur träumerisch ist.
Einst pflügte der Bauer mit heiterem Sinn
Im Merzbachtal Furche um Furche hin.
Und Krähen und Raben begleiten ihn -
So sah man ihn Stunde um Stunde dort zieh’n.
Die Wolken, sie zogen in lichtblauen Höh’n,
Den Schatten man konnte rasch wandern auch seh’n,
Und Lerchentriller erscholl aus der Luft,
Auf Fluren und Saaten hing taufrischer Duft.
Allein war der Pflüger im duftenden Feld,
Es grünte und blühte die lenzfrohe Welt.
Und Schattenspiel huschte in Feldern und Au’n,
Aus Weiden und Buschwerk klang Windesgerau’n.
Vom Merzbach klang rieselnder Reisegesang.
Ein Rehlein scharf äugend - durch Korbweiden sprang.
Es zog durch die Benden gemächlich und schwer,
Ein Buntvolk von Kähnen im grasenden Meer.
Die Schatten, sie glitten im fröhlichen Lauf,
Sie huschten an Bäumen und Hügeln hinauf,
Sie hingen an Wolken, in lichtblauen Höh’n,
In munterem Gedränge - im Reisewind weh’n.
Der Bauer am blumigen Grashange saß,
Im Schleedorngeranke sein Frühbrot er aß,
Sein Rößlein gebunden am Feldrain stand,
Und froh und vergnügt seine Nahrung dort fand.
Nichts kränkte die Muße, das Feld war ja leer,
Nur Schwärme von Mücklein - die reizten ihn sehr.
Und während er diese mit Eifer vertrieb,
Sein Rößlein am Feldrain ohn’ Aufsicht nun blieb.
Doch als er so ruhte, die Zeit rasch verging,
Vertrieb er die Mücken und manche er fing.
Da hörte er wiehern aus luftigen Höh’n,
Gerade, als er nach dem Pferde will seh’n.
Da hörte er rauschen wie von einem Baum.
War’s Traum oder Wahrheit, er glaubte es kaum:
Dort eben ein zierliches Bäumchen noch stand,
Daran er sein hungriges Rößlein gar band.
Doch während gemächlich beim Frühstück er war,
Huscht neckisch herbei der Wildjuffern Schar.
Schnell wuchs nun das Bäumchen zum Baume heran,
Nahm mit in die Höhe das Rößlein alsdann.
Nun droben im Astwerk da hing auch der Pflug,
Riß kräftig und heftig am Pferd das ihn trug.
Dem Pferd war diese Lage verpöhnt,
Und deshalb sein Wiehern von oben ertönt.
Es strahlte der Morgen im sonnigen Glanz,
Die Dörfer verdeckte ein Blütenmeer ganz.
Und alles erfüllte der Frühling mit Lust,
Dem Bauer doch schnürte die Brust.
Er sah ja sein Rößlein im Frühlingswind weh’n,
Stand ratlos am Baume und mußte nun seh’n,
Wie droben in sonniger, luftiger Höh’,
Das Wiehern erschallte in Schmerzen und Weh’n.
Er starrte vergebens - denn Rettung gab’s kaum.
Wie kam sein Gespann so schnell auf dem Baum?
Die Zeit war enteilt, als still er dasaß
Und arglos sein Pferd dort am Feldraine fraß.
Doch wie er auch grübelte trostlos und sann,
Nach allem Geschehen - nach seinem Gespann,
Sie blieb ihm verschlossen, die Lösung, die Spur,
Und er dabei ratlos auf lenzfroher Flur.
So lag er dann weiter in todmüdem Schlaf,
Bis plötzlich ein Schleedorngeranke ihn traf.
Und jäh er erwachte aus angstschwerem Traum,
Und hörte kein Wiehern und sah keinen Baum.
Sein Pferd stand wie vordem, von Gräsern umhegt,
Und weit in der Runde war’s still, sich nichts regt.
Das Schattenspiel huschte auch weiter durchs Land,
Ihn hatte beim Frühbrot der Schlaf übermannt.
Im Spiele der Wolken, in Schatten und Licht,
Gedachte der Bauer der Wildjuffern nicht.
Doch diese umkreisen ohn’ Rast, ohne Ruh’,
Den Bauer und drückten die Augen ihm zu.
So lag er am blumigen Grashang im Traum,
Sein Rößlein entdeckte er hoch am Baum.
Und alle Sorgen und alle Beschwer’,
Kam nur von den neckischen Wildjuffern her.
Den Ackerstock griff er mit lächelndem Blick,
Und kehrte geschwind zum Gespanne zurück.
Und während er Furche um Furche nun brach,
Sann stets er dem seltsamen Traumbild nach.
Die Wildjuffern treiben ganz heimlich und sacht,
Die neckischen Spiele bei Tag und bei Nacht.
Als Göttinen waren sie ehemals bekannt,
Doch wurden sie später Wildjuffern genannt.
In uralten Tagen voll Glanz und voll Schein,
Schlug man ihre Namen in hartes Gestein.
Sie standen als Zeichen an Straßen und Land,
Matronenstein wird jetzt ein solcher genannt.
Auf fernerhin sei man doch stets auf der Hut,
Der Wildjuffern neckisches Spiel ja nie ruht.
Die Zeiten sie kommen, die Zeiten vergeh’n:
Die Wildjuffernschar bleibt am Merzbach besteh’n.
Von Heinz FrankenFranken, Heinz
Besuchen Sie ederen.de auf