Allgemeinverfügung der Stadt Linnich vom 19.03.2020 zu Betretungsverboten für Reiserückkehrer aus Risikogebieten, zur Anordnung von Maßnahmen für die Krankenhäuser, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen sowie für stationäre Einrichtungen der Pflege und der Eingliederungshilfe, besondere Wohnformen im Sinne des SGB IX sowie ähnlichen Einrichtungen, zur Schließung von Einrichtungen, Begegnungsstätten und Angebote bzw. zur Beschränkung des Zugangs für Bibliotheken, Gastronomie und Hotels, zur Schließung von Verkaufsstellen bzw. zur Beschränkung des Zugangs für gewisse Verkaufsstellen, zum Verbot der Übernachtungsangebote zu touristischen Zwecken sowie zum Verbot von Veranstaltungen zum Zwecke der Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen- Infektionsschutzgesetz (IfSG).
Gem. § 16 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 28 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) vom 20.07.2000 in der z. Zt. geltenden Fassung wird ergänzend zu meinen Verfügungen vom 16.03.2020 und 18.03.2020 zunächst bis zum 19. April 2020 als kontaktreduzierende Maßnahme zur Beeinflussung – insbesondere Verzögerung – der Ausbreitungsdynamik und zur Unterbrechung von Infektionsketten von SARS-CoV-2 Virusinfektionen folgende Allgemeinverfügung erlassen:
1. Für Reiserückkehrer aus Risikogebieten nach RKI- Klassifizierung ist es für einen Zeitraum von 14 Tagen ab Rückkehr aus dem Risikogebiet in das Gebiet der Stadt Linnich untersagt, die folgenden Bereiche zu betreten:
2. Für Krankenhäuser, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen sowie für stationäre Einrichtungen der Pflege und der Eingliederungshilfe, besondere Wohnformen im Sinne des SGB IX sowie ähnliche Einrichtungen werden die nachstehenden Maßnahmen angeordnet:
3. Für folgende Einrichtungen, Begegnungsstätten und Angebote wird die Schließung bzw. die Einstellung angeordnet:
4. Der Zugang zu Bibliotheken außer Bibliotheken an Hochschulen ist nur unter strengen Auflagen (Besucherregistrierung mit Kontaktdaten, Reglementierung der Besucherzahl, Vorgaben für Mindestabstände zwischen Tischen von 2 Metern, Aushänge mit Hinweisen zu richtigen (betrieblichen) Hygienemaßnahmen, allgemeine Aushänge zu Hygienemaßnahmen wie z.B. unter https://www.infektionsschutz.de/mediathek/infografiken.html, Hygienemaßmen, etc.) gestattet.
5. Der Betrieb von Restaurants und Speisegaststätten sowie Hotels für die Bewirtung von Übernachtungsgästen ist ab sofort nur für den Außer-Haus-Verkauf und die Lieferung von Speisen, nicht aber für den unmittelbaren Verzehr vor Ort, gestattet. Bei Außer-Haus-Verkauf ist vorzugsweise telefonisch zu bestellen und eine Abholzeit zu vereinbaren, um die Kontaktmöglichkeiten einzuschränken. Es ist darauf zu achten, dass zwischen wartenden Personen ein Mindestabstand von 2 Metern sowie die unter 4. angegebenen Hygienemaßnahmen einzuhalten sind. Diese Regelungen sind von außen gut sichtbar am Lokal anzubringen.
6. Nicht zu schließen ist der Einzelhandel für Lebensmittel, Wochenmärkte, Abhol- und Lieferdienste, Getränkemärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Tankstellen, Banken, Sparkassen, Poststellen, Friseure, Reinigungen, Waschsalons, der Zeitungsverkauf, Bau-, Gartenbau- und Tierbedarfsmärkte sowie der Großhandel.
Alle anderen Verkaufsstellen des Einzelhandels sind zu schließen.
Geschäfte, die ein Mischsortiment an Lebensmitteln, Drogerieartikeln und Non-Food-Artikeln (wie Dekorationsartikel oder Kleidung) anbieten, fallen nicht unter die in Ziffer 5 Satz 1 aufgezählten Einzelhandelsbetriebe. Hier ist der Schwerpunkt des Sortiments entscheidend, der in der Regel auf Non-Food-Artikeln liegt.
Dienstleister und Handwerker können ebenfalls ihrer Tätigkeit nachgehen. Dies sind insbesondere freie Berufe wie Rechtsanwälte, Steuerberater, Architekten und Ingenieure, aber auch Autowerkstätten.
7. Der Zugang zu Einkaufszentren „Shopping Malls“ oder „Factory Outlets“ und vergleichbaren Einrichtungen ist nur gestattet, wenn sich dort nicht zu schließende Einrichtungen nach Nummer 5 Satz 1 befinden, und nur zu dem Zweck, diese Einrichtungen aufzusuchen.
8. Geschäfte des Einzelhandels für Lebensmittel, Wochenmärkte, Abhol- und Lieferdienste, Apotheken sowie Geschäfte des Großhandels ist bis auf weiteres auch die Öffnung an Sonn- und Feiertagen von 13 bis 18 Uhr gestattet; dies gilt nicht für Karfreitag, Ostersonntag und Ostermontag.
Darüber hinaus dürfen diese Geschäfte im Rahmen der geltenden Ladenöffnungszeiten ihre eigenen Öffnungszeiten erweitern, um eine bessere Verteilung des Kundenaufkommens zu erreichen.
9. Sämtliche Verkaufsstellen im Sinne des Ladenöffnungsgesetzes (LÖG NRW) haben die erforderlichen Maßnahmen zur Hygiene gemäß der Empfehlungen des Robert-Koch- Instituts (RKI), zur Steuerung des Zutritts und zur Vermeidung von Warteschlangen zu treffen (z.B. Desinfektionsspender aufstellen, Türen offen halten und regelmäßig Türgriffe desinfizieren, ausreichende Belüftung sicherstellen, nicht mehr als einen Kunden pro 25 m² Verkaufsfläche einlassen, Abstand von 2 m einhalten, Warteschlangen an Kassen, Bedientheken und vor der Tür durch Markierungen auf dem Boden entzerren).
Diese Regelungen sind von außen gut sichtbar am Ladenlokal anzubringen.
10. Übernachtungsangebote zu touristischen Zwecken sind untersagt.
11. Alle öffentlichen und privaten Veranstaltungen sind untersagt. Das Verbot gilt auch für Gottesdienste und sonstige Veranstaltungen von Religionsgemeinschaften. Eingeschlossen hierin sind auch Versammlungen unter freiem Himmel wie Demonstrationen, die nach Durchführung einer individuellen Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die Kreispolizeibehörde zugelassen werden können. Ausgenommen sind Veranstaltungen, die der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder der Daseinsfürsorge und Daseinsvorsorge zu dienen bestimmt sind oder der Versorgung der Bevölkerung dienen (z.B. Wochenmärkte).
12. Die Anordnungen unter 1 bis 11 sind sofort vollziehbar.
13. Die Anordnungen unter 1 bis 12 treten am Tage nach der öffentlichen Bekanntmachung in Kraft.
13. Auf die Strafbarkeit einer Zuwiderhandlung gegen diese Anordnungen gem. § 75 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Infektionsschutzgesetz wird hingewiesen. Bei Zuwiderhandlungen drohen Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren oder Geldstrafen.
Die Allgemeinverfügung vom 18.03.2020 verliert mit Inkrafttreten dieser Allgemeinverfügung ihre Gültigkeit.
Begründung:
Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 hat sich in kurzer Zeit weltweit verbreitet. Auch in Deutschland und insbesondere in Nordrhein-Westfalen gibt es inzwischen zahlreiche Infektionen. Bei SARS-CoV-2 handelt es sich um einen Krankheitserreger im Sinne des § 2 Abs. 1 IfSG.
Der Virus wird von Mensch zu Mensch übertragen. Hauptübertragungsweg ist die Tröpfcheninfektion. Die Übertragung kann direkt von Mensch zu Mensch über die Schleimhäute der Atemwege oder auch indirekt über Hände, die dann mit Mund- oder Nasenschleimhaut sowie der Augenbindehaut in Kontakt gebracht werden, erfolgen.
Durch den vorherrschenden Übertragungsweg von SARS-CoV-2 (Tröpfchen) z. B. durch Husten, Niesen oder teils mild erkrankte oder auch asymptomatisch infizierte Personen kann es leicht zu Übertragungen von Mensch-zu-Mensch kommen.
Insofern erhöht sich das Risiko einer Ansteckung mit dem SARS-CoV-2-Virus bei Kontakt zu Personen, die sich in Risikogebieten aufgehalten haben und von dort eingereist sind, und damit die Gefahr, dass sich die Infektionen in der Bevölkerung weiter verbreiten.
Vor dem Hintergrund drastisch steigender Infektionszahlen in den vergangenen Tagen und der weiterhin dynamischen Entwicklung der SARS-CoV-2 Infektionen ist es erforderlich, weitere – über die in den bislang ergriffenen Maßnahmen hinausgehend – kontaktreduzierende Maßnahmen zur Beeinflussung der Ausbreitungsdynamik zu ergreifen und Infektionsketten zu unterbrechen. Um insbesondere eine auskömmliche Versorgung mit Intensivbetten für schwerbehandlungsbedürftige Patienten aufrecht zu erhalten, ist es erforderlich, die Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus einzudämmen oder zumindest zu verlangsamen.
Nach Einschätzung des Robert-Koch-Institutes (RKI) sind zur Bewältigung der aktuellen Weiterverbreitung des SARS-CoV-2-Virus „massive Anstrengungen auf allen Ebenen des öffentlichen Gesundheitsdienstes erforderlich“.
Die zuständige Behörde hat die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit drohenden Gefahren zu treffen (§§ 16 Abs. 1 Satz 1 , 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG).
In Fortschreibung der Erlasse des Ministeriums für Gesundheit, Arbeit und Soziales NRW vom 15.03.2020 und 17.03.2020 sollen nunmehr weitere kontaktreduzierenden Maßnahmen zur Unterbrechung der Infektionsketten und zur Beeinflussung der Ausbreitungsdynamik ergriffen werden.
Mit dieser Allgemeinverfügung setzt die Stadt Linnich diesen Erlass als für die Maßnahmen nach §§ 16, 28 IfSG zuständige Behörde gemäß § 3 ZVO-IfSG um.
Die Entscheidung zu den vorgeschilderten ordnungsbehördlichen Maßnahmen liegt grds. in meinem pflichtgemäßen Ermessen. Nach dem o.g. Erlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales reduziert sich mein Ermessen dahingehend, dass die vorgenannten Maßnahmen anzuordnen sind.
Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 Grundgesetz) und der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 Grundgesetz) werden insoweit eingeschränkt; dies ist jedoch notwendig, damit sich der Virus deutlich langsamer verbreitet und das Gesundheitssystem nicht kollabiert.
Die getroffenen Anordnungen entsprechen auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie sind sowohl geeignet als auch erforderlich und angemessen, um den erstrebten Zweck, nämlich den Schutz der Gesundheit des Einzelnen und der Allgemeinheit, zu erreichen.
Sie sind geeignet, da durch sie die dringend erforderliche Verzögerung des Eintritts von weiteren Infektionen erreicht werden kann. Dadurch gelingt es, das Gesundheitswesen nicht zu überlasten und die erforderlichen Kapazitäten für die Behandlungen von Erkrankten sowie sonstigen Krankheitsfällen bereitzuhalten. Damit wird auch Zeit gewonnen, Therapeutika und Impfstoffe zu entwickeln.
Die getroffenen Anordnungen sind erforderlich, da mildere Mittel bei gleicher Zweckförderlichkeit für mich unter Berücksichtigung aller sachgerechten Erwägungen derzeit nicht ersichtlich sind.
Vor dem Hintergrund des bestehenden Infektionsrisikos sind die getroffenen Anordnungen auch angemessen, da Sie gemessen am Zweck dieser Allgemeinverfügung nicht unangemessen belastet werden.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage erhoben werden.
Die Klage ist schriftlich beim Verwaltungsgericht Aachen, Adalbertsteinweg 92, Justizzentrum, 52070 Aachen einzureichen oder dort beim Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zur Niederschrift zu erklären.
Die Klage kann auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts erhoben werden. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Es muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 55 a Abs. 4 VwGO eingereicht werden. Die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen bestimmen sich nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) vom 24. November 2017 (BGBl. I S. 3803).
Sollte die Frist durch das Verschulden eines von Ihnen Bevollmächtigten versäumt werden, so würde dessen Verschulden Ihnen zugerechnet werden.
Hinweis zur elektronischen Form der Klageerhebung: Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite www.justiz.de.
Hinweise zur Rechtsbehelfsbelehrung:
Eine Klage gegen diese Allgemeinverfügung hat gem. § 16 Abs. 8 IfSG keine aufschiebende Wirkung.
Auf Antrag kann das Verwaltungsgericht Aachen gem. § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Gez.
Schunck-Zenker
(Bürgermeisterin)
HINWEIS ZUR VORSTEHENDEN VERFÜGUNG:
Es wird darauf hingewiesen, dass mit den Sportstätten auch die Sportplätze, Bolzplätze und das Mini-Fußballspielfeld auf dem Schulhof der Grundschule gemeint sind.