Eine heimatgeschichtliche Exkursion
Am Sonntag, den 25. August 2024 unternahm die Dorfgemeinschaft Ederen auf Einladung der Interessengemeinschaft Ederener Runde eine Zeitreise in die Vergangenheit, auf den Spuren der Ritter von Ederen. Rund 50 Mitbürger nahmen an einer Bustour zur Burg Ederenstein im Ansteltal, nordwestlich von Kerkrade (NL), teil.
Wir starteten am Vormittag und erreichten nach einer dreiviertelstündigen Fahrt bei herrlichem Sommerwetter Kerkrade. Dort bot sich uns zunächst die Gelegenheit, die nähere Umgebung der Burg zu erkunden. Gegen halb eins versammelten wir uns im Groneveld-Saal im ersten Stock der Burg, benannt nach einem späteren Besitzer, zu einem ausgiebigen zweistündigen Brunch. Der Saal war mit fünf großen, runden Tischen für jeweils zehn Personen gedeckt, an denen reichlich Platz für anregende Gespräche war.
Im Anschluss unternahmen die meisten Teilnehmer eine Wanderung durch ein Wäldchen zum etwa 1,5 km entfernten, wieder aufgebauten ehemaligen Gutshof. „Nieuw Ehrenstein“ beherbergt heute neben Wohnungen eine große Brasserie. Gegen 16 Uhr traten wir schließlich die Rückreise mit dem Reiseunternehmen Labudda aus Freialdenhoven an.
Es folgt nun ein kurzer geschichtlicher Überblick zu unserem Ausflug, ähnlich dem, den ich - Richard Reuters - während der Reise gegeben habe.
Wer tiefer in die Geschichte Ederens und Ederensteins eintauchen möchte, dem seien die im Artikel angegebenen Links zu den Artikeln empfohlen.
Für mich persönlich war dieser Ausflug eine Jubiläumsfahrt. Denn vor genau 40 Jahren, im selben Monat, fand bereits eine ähnliche Reise statt – allerdings in kleinerem Rahmen und ohne üppiges Buffet, aber mit etwa 20 heimatgeschichtlich interessierten Ederenern. Diese Fahrt wurde damals von meinem Vater, Fritz Reuters, anlässlich der Veröffentlichung seines Heimatbuches über Ederen organisiert. In diesem Buch wurde erstmals die Verbindung zwischen Ederen und Ederenstein einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht. Heute kann man das Buch in einer über die Jahre stark erweiterten Version hier auf dieser Webseite nachlesen.
[Link: Fritz Reuters: Ederen - Die Geschichte eines Dorfes im Jülicher Land]
Bei der Ankündigung der Reise fragten sich viele: „Warum Kerkrade?“ und „Was hat die Burg Ederenstein außer der Namensähnlichkeit mit Ederen zu tun?“ Um das zu verstehen, müssen wir 900 Jahre in die Vergangenheit zurückblicken, zu den Rittern von Ederen.
In einer Urkunde des Erzbischofs von Köln aus dem Jahr 1139, in der Ederen erstmals erwähnt wird, taucht ein Ritter Christian von Ederen als Zeuge auf. Die Ritter von Ederen begleiteten uns dann für die nächsten 350 Jahre durch die Zeit des ausgehenden Mittelalters. Leider wissen wir nur wenig über das Leben der Ederener Ritter; über die Jahrzehnte hinweg werden sie hauptsächlich in Urkunden als Zeugen, Amtsmänner oder Schöffen erwähnt. Der Standort der Ederener Burg wird auf der Erhebung vermutet, auf der heute die Pfarrkirche steht, doch dies ist eher Spekulation als gesichertes Wissen – auch wenn Reste der alten Pfarrkirche mit Schießscharten diese Vermutung nahelegen.
[Artikel: Urkunde von 1139 - erste Erwähnung Ederens]
[Artikel: Die katholische Pfarrkirche zu Ederen]
Das Wissen über die Ritter von Ederen ändert sich mit dem Auftreten von Ritter Adam von Ederen um 1340. Er spielte eine wichtige Rolle im Gefolge des Herzogs von Jülich und war an der Entstehung vieler bedeutender Verträge beteiligt. Seit dem 13. Jahrhundert bildeten die Ritter nach den Herzögen die oberste Schicht und hatten einen nicht zu unterschätzenden Einfluss.
Ich hatte einige Kopien alter Urkunden in Originalgröße mitgebracht, die man in der Burg während des Buffets betrachten konnte. Darunter befand sich auch eine beeindruckende Urkunde eines Ehevertrags einer Tochter des Jülicher Herzogs, an dessen Ausfertigung Adam von Ederen beteiligt war und unter der er sein Siegel gesetzt hat. Rechts sieht man das Wappen von Adam von Ederen.
[Artikel: Ritter von Ederen]
Im Jahr 1364, ein Datum, das uns auch auf der Tür zum kleinen Adam-von-Ederen-Saal in der Burg begegnete, geschah etwas Unerwartetes: Adam von Ederen zog nach Kerkrade und erwarb dort ein teilweise von Wasser umgebenes Steinhaus, das er Schloss Ederenstein nannte. Bemerkenswert daran ist, dass Ederenstein auf Brabanter Gebiet liegt, dem Hoheitsgebiet des Gegners seines bisherigen Dienstherrn, dem Herzog von Jülich. Was Adam dazu veranlasste, das Jülicher Gebiet zu verlassen, ist leider nicht aus Urkunden ersichtlich. Vielleicht versuchte der Jülicher Herzog dadurch Einfluss auf den wichtigen Handelsweg zwischen Rhein und Maas zu nehmen, der an Ederenstein vorbeiführte.
Adam nannte sich fortan Adam von Ederenstein. Woher wissen wir eigentlich, dass Adam von Ederenstein identisch mit Adam von Ederen ist? Nun, in einer Urkunde verwendet er zwar schon seinen neuen Namen, siegelt jedoch noch mit seinem alten Ederener Siegel als Adam von Ederen. Auch von dieser Urkunde hatte ich eine Kopie in der Burg ausgestellt.
[Artikel: Urkunde von 1363. Adam von Ederen nennt sich erstmals Adam von Ederenstein]
Wie bereits kurz erwähnt, lag Ederenstein an einem wichtigen Handelsweg zwischen Köln und den flämischen Städten wie Gent und Brügge und war berechtigt, Wegezoll zu erheben. Wegezoll klingt etwas nach „Wegelagerei“, doch tatsächlich war die Erhebung von Wegezoll mit der Gewährung von sicherem Geleit der Kaufleute durch das jeweilige Gebiet verbunden. Der Wegezoll war sicherlich eine gute Einnahmequelle.
Adam konnte im Brabanter Gebiet nahtlos an seine bedeutende Rolle anknüpfen. Er war maßgeblich am Zustandekommen des Landfriedens zwischen Maas und Rhein beteiligt, in dem die freie Passage von Kaufleuten zwischen Rhein und Maas geregelt wurde. Später gipfelten die wiederholten Verstöße des Herzogs von Jülich gegen diesen Vertrag in der Schlacht von Baesweiler im Jahr 1371, die für Brabant mit einer Niederlage endete. Für die Brabanter Seite sind noch Teilnehmerlisten dieser Schlacht erhalten. Adam findet sich dort nicht. Vielleicht blieb er wegen seiner Verbindung zum Herzog von Jülich in dieser Auseinandersetzung neutral.
[Artikel: Das Geschlecht 'von Ederenstein' auf der gleichnamigen Burkgin Kerkrade]
Zum Besitz von Ederenstein gehörten Landgüter, die von etwa 30 abhängigen Bauern, sogenannten „Laten“, bewirtschaftet wurden. Aus dieser Zeit ist eine „Latenrolle“ erhalten, in der alle Abgaben der Bauern an Ederenstein verzeichnet sind. Rolle deshalb, weil das Verzeichnis aufgerollt war. Die Abgaben waren jährlich zu St. Martin fällig. Traditionell wird ja auch Ausschnitt aus der Latenrolle heute noch die Pacht an St. Martin gezahlt. Es handelte sich bei den Abgaben vorwiegend um Naturalien wie Schweine, Gänse oder Hühner, aber auch geschlagenes Holz zum Heizen oder ein Fass Bier aus einer Brauerei.
Bemerkenswert ist die Ausführung der Urkunde. Der erste Buchstabe eines jeden Absatzes (siehe Ausschnitt) ist kunstvoll ausgeschmückt und zeigt manchmal ein Gesicht, das vermutlich eine Karikatur des jeweiligen Bauern darstellt.
[Artikel: Die Laten von Ederenstein]
Adam von Ederen hatte einen gleichnamigen Sohn, der jedoch meist „Daem“ genannt wurde. Er verwaltete den Besitz schlecht und verpfändete um 1405 große Teile davon. Das letzte Lebenszeichen der Familie von Ederenstein stammt aus dem Jahr 1446 von einem Dietrich von Ederenstein.
Um 1450 wurde Ederenstein von Heinrich von Gronsfeld erworben. Im Laufe der Jahrhunderte wechselte die Burg durch Heirat, Erbschaft oder Verkauf vielfach den Besitzer. 1903 erwarb der Franziskanerorden die Burg, die später als Obdachlosenunterkunft genutzt wurde. 1942 verkaufte die deutsche Besatzungsmacht die Burg an die Stadt Kerkrade. Diese ließ das Gebäude mit Unterstützung der staatlichen Denkmalpflege für über eine Million Gulden restaurieren und zu einer Kultur- und Begegnungsstätte umgestalten.
Heute wird die Burg von einer niederländischen Hotelkette als Restaurant und Hochzeitslocation genutzt.
[Artikel: Die Besitznachfolger Ederensteins]
Schräg gegenüber der Burg Ederenstein befindet sich das "Hotel Ederenstein", das von derselben Hotelkette betrieben wird und ein Restaurant sowie eine Bar beherbergt. Es ist in einem umgebauten Gutshof untergebracht.
Ein Kilometer entfernt liegt ein weiterer alter Gutshof, der früher zu den Lehen von Ederenstein gehörte. Das verfallene Gebäude wurde von der Stiftung Limburger Land zwischen 2015 und 2020 aufwendig saniert und beherbergt heute neben mehreren Wohnungen eine große, sehenswerte Brasserie, die – wie wir bei einem Besuch feststellen konnten – auch unter der Woche gut besucht ist. Die Anlage nennt sich heute „Nieuw Ehrenstein“ und ist ein Besuch wert.
[Link: Hotel Kasteel Erenstein]
[Link: Restaurant Kasteel Erenstein]
[Link: Nieuw Ehrenstein]
Zum Schluss sollen auch noch die Unterstützer erwähnt sein: die Mitglieder der IG Ederener Runde, die bei Planung und Vorbereitung die Hauptarbeit geleistet haben; die finanzielle Unterstützung durch die Landesregierung NRW, vertreten durch den Kreis Düren als Bewilligungsbehörde; die Indeland GmbH, vertreten durch die Stadt Linnich als eine ihrer Gesellschafter; sowie durch eine freundliche private Spende unserer Bürgermeisterin Frau Schunck-Zenker.
[Artikel: Interessengemeinschaft Ederener Runde]
[Link: Förderprogramm der Landesregierung NRW]
[Link: Indeland GmbH]